Zum Jahresende schließen wir uns mal dem allgegenwärtigen Jahresrückblickwahnsinn an und wollen noch einmal einen Blick auf zwei sehr entscheidende Wendungen in der Rechtsprechung mit Fußballbezug werfen, die den Fanalltag auch in Zukunft noch spürbar mitbestimmen werden.
Zum einen hat die Entscheidung des BVerfG im Mai zum Thema Strafbarkeit von ACAB & Co. für Aufsehen gesorgt. Zum anderen ging auch die weniger erfreuliche Entscheidung des BGH im September zur Frage der Rechtmäßigkeit der Inregressnahme von Fans bei Verbandsstrafen durch die Medienlandschaft.
Im letzteren Fall verbreiteten sich bereits kurz nach Veröffentlichung der Presseerklärung unzählige Schlagzeilen wie „wer Böller wirft muss zahlen“, „Fußballvereine können Geld von Krawallmachern zurückholen“, „Krawallfans müssen Verbandsstrafe zahlen“ oder „Randalieren wird jetzt richtig teuer“. Diese Bewertung des Urteils geht jedoch unserer Ansicht nach deutlich über das hinaus, was eigentlich entschieden wurde.
Mit dem Urteil hat der BGH festgestellt, dass ein Fan, der gegen die Stadionordnung verstößt und dadurch ein Ereignis auslöst, das den Verband gemäß interner Regelungen dazu ermächtigt vom Verein eine Geldbuße zu fordern, grundsätzlich gegenüber dem Verein auf der Grundlage des Zuschauervertrages haftet.
Diese Aussage umfasst zum einen lediglich Strafen von Vereinen, die mit dem „störenden“ Zuschauer durch den Verkauf eines Tickets einen Zuschauervertrag geschlossen haben. Dies ist z.B. regelmäßig nicht der Fall bei einem „störenden“ Fan eines Gastvereins, der sein Ticket direkt beim Heimverein erworben hat.
Zum anderen ist noch unklar, inwieweit die Verbandsstrafe auch in dieser enormen Höhe tatsächlich auf den Einzelnen umgelegt werden kann. Damit muss sich in diesem Fall nochmals das OLG Köln befassen.
Die Liste der Kritikpunkte an der Inregressnahme von Fans ist lang und mittlerweile hinreichend bekannt. Es bleibt zu hoffen, dass die Rechtsprechung zumindest im Hinblick auf die Höhe der absolut willkürlich festgesetzten und an den wirtschaftlichen Verhältnissen der Vereine orientierten Verbandsstrafe den Verbänden und Vereinen einen Strich durch die Rechnung macht.
Deutlich erfreulicher war dagegen die Feststellung des BVerfG im Mai.
„Die Parole „ACAB“ ist nicht von vornherein offensichtlich inhaltlos, sondern bringt eine allgemeine Ablehnung der Polizei und ein Abgrenzungsbedürfnis gegenüber der staatlichen Ordnungsmacht zum Ausdruck. Es handelt sich um eine Meinungsäußerung(…)“
Das hat sich die Fanszene natürlich nicht zweimal sagen lassen und gleich ein „ACAB“ auf Fahne und Doppelhalter gepinselt.
So schön diese Entscheidung auch ist, so mühsam ist jedoch auch ihre Durchsetzung und so undurchsichtig ist sie häufig für den Laien.
An den folgenden Spieltagen bescherte besagte Fahne und DH immer wieder Probleme mit Polizei und Ordnungsdienst. Angefangen in Hannover mit dem Verbot die Fahne mit in den Block zu nehmen über eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung in Stuttgart bis hin zum versuchten Entfernen der Fahne aus dem Block mit der Begründung die Fahne enthalte „verfassungsfeindliche Aussagen“ (Anm.: Auf der Fahne steht „Kennzeichnungspflicht für Polizisten – ACAB“) in Berlin. Und auch aus anderen Szenen hört man immer wieder von Versuchen der Polizei die vermeintlichen Täter zu verfolgen. So ganz hat sich die Thematik wohl auch in Polizeikreisen noch nicht rumgesprochen.
Zwar werden diese Verfahren regelmäßig erwartungsgemäß eingestellt, jedoch gehen auch diese Verfahren nicht spurlos an den Betroffenen vorüber. Nicht nur, dass ein einmal eingeleitetes Ermittlungsverfahren den schier unendlichen Scrollvorgang des Beamten am Flughafen verlängert. Häufig sind diese natürlich auch mit Zeit- Nerven- und Kostenaufwand verbunden, den man sich auch hätte sparen können.
Das Thema wird wohl auch in Zukunft brisant bleiben, da der Belastungseifer der Polizei groß und der Grat zwischen einer strafbaren Handlung und einer strafrechtlich nicht relevanten Meinungsäußerung durchaus schmal ist.
Dieses Beispiel zeigt jedoch, dass es sich lohnt weiterhin für die Rechte von Fans im und um das Stadion zu kämpfen, auch wenn die Steine im Weg immer größer werden.
Wir werden sehen was 2017 bringt…