Gesetzesbeschluss des Bundestags zur Änderung der Strafprozessordnung – oder auch Gesetzesbeschluss zur effektiveren staatlichen Überwachung

Neben der Legalisierung des Staatstrojaners sowie der Online-Durchsuchung, dürften uns als Kleeblatt-Anhänger wohl vor allem die Änderungen bezüglich Zeugenvernehmungen interessieren, die letzte Woche vom Bundestag beschlossen worden sind.

Bisher war niemand verpflichtet, Vorladungen der Polizei Folge zu leisten. Dies galt sowohl für Beschuldigte als auch Zeugen. § 163 StPO wird nun dahingehend geändert, dass „Zeugen verpflichtet sind, auf Ladung vor Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft zu erscheinen und zur Sache auszusagen, wenn der Ladung ein Auftrag der Staatsanwaltschaft zugrunde liegt.“ Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft ist u.a. die Polizei. Liegt der Vorladung der Polizei also ein „Auftrag der Staatsanwaltschaft“ zugrunde, soll jedermann verpflichtet sein, zur Vernehmung zu erscheinen und grundsätzlich zur Sache auszusagen. Wie sieht so ein Auftrag aus? – Das Gesetz bleibt viel zu ungenau. Beispielsweise ist denkbar, dass ein Staatsanwalt der Polizei pauschal den Auftrag gibt, sämtliche Personen, die in irgendeiner Weise mit der Sache zu tun haben könnten, erst einmal als Zeugen vorzuladen und in eigener Regie zu vernehmen. Diese Vorladungen sind an und für sich bereits jetzt gängige Praxis, nur bestand bisher keinerlei Verpflichtung dann auch tatsächlich vor der Polizei zu erscheinen, sofern auf dem Briefkopf „Polizeiinspektion Fürth“ stand. Völlig unabhängig davon, ob jemandem besondere Auskunftsverweigerungsrechte (z.B. die Gefahr der Selbstbelastung) zustanden, musste niemand mit den Cops reden. Bis jetzt.

Folgen des Nichterscheinens sind beispielsweise die zwangsweise Vorführung oder die Verhängung von Ordnungsgeld.

Erwähnenswert ist weiterhin, dass – mangels gesetzlicher Grundlage – diese Vorladung zudem mündlich ausgesprochen werden kann. Möglicherweise wird man also an Ort und Stelle des Geschehens aufgefordert, zur Sache auszusagen. Ein staatsanwaltlicher Auftrag liegt in diesem Fall selbstverständlich vor, vor allem bei Fußballfans. Dass dabei versucht wird, den gesetzlich normierten Anspruch auf anwaltlichen Beistand komplett zu unterlaufen, scheint keine Rolle zu spielen.

Zusammengefasst stellt die Gesetzesänderung mal wieder ein Instrument dar, staatliche Repression zu stärken und die Rechte des Einzelnen zu unterwandern. Die Erscheinenspflicht führt zu erhöhten Möglichkeiten, „Zeugen“ auf die Dienststelle zu bekommen und dort entsprechend zu bearbeiten. Gerade bei Menschen, die sich ihrer Rechte nicht sicher sind, führt dies zu der Gefahr, dass diese als vermeintlich erscheinens- und aussagepflichtiger Zeuge erst mal Angaben zur Sache machen, die sie ohne Pflicht zum Erscheinen nie gemacht hätten. Dadurch kann man nicht nur andere, sondern auch sich selbst erheblich in die Bredouille bringen. Der Grat zwischen Zeuge und Beschuldigtem ist gefährlich schmal. Dennoch sollte man sich stets auf sein Recht berufen, anwaltlichen Beistand zu bestellen und von seinen Auskunftsverweigerungsrechten Gebrauch machen!

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